Es war einer dieser letzten sonnigen Spätsommertage Ende
September. Viel zu schön, um ihn drinnen zu verbringen. Es könnte vielleicht
der letzte sein für dieses Jahr. Jeder wusste das und ich hatte zufällig frei. Geplagt von einer Mischung aus rastlosen Fernweh und ruhesuchendem Heimweh gab
es für mich nur ein Ziel: Graubünden, Crestasee und Caumasee. Ein
Sehnsuchtsort, traumhafter als auf jeder Kitschpostkarte. Türkis-grüne Bergseen,
dunkler, von Sonnenstrahlen durchbohrter Wald und weisse Felsen, die steil in
die Rheinschlucht abfallen.
Türkis-grün glitzert der Caumasee in der Spätsommersonne.
Und ich war mal wieder viel zu spät dran, weil ich am Morgen
viel zu lange gebraucht hatte, viel zu spät aufgestanden war und die Nacht
vorher viel zu lange wach gewesen bin. Aber sobald der gestresste Reisende den
ersten Schritt auf den feuchten Waldboden setzt und vom ersten Bündner mit
einem freudigen „Grüezi“ gegrüsst wird, ist die Zeit vergessen. Hier, zwischen
Surselva und Ruinaulta, braucht es keine Uhren. Denn erst wenn die Sonne hinter
den letzten Baumwipfeln verschwindet, ist es langsam Zeit zu gehen. Aber noch steht
sie hoch oben am Himmel.
Am Crestasee lümmeln schon die ersten Badenden in der Sonne –
nicht mehr Käseweiss, wie am Anfang des Sommers, sondern gebräunt wie nach zwei
Wochen Italien. Auf der Terrasse des Restaurants bleibt an diesem Tag kein
Platz leer. Senioren plappern lautstark und tauschen bei einem Stück Beerenwähe
mit Schlagrahm den neuesten Tratsch aus. Dazwischen Wanderer, Mountainbiker und
Feriengäste, die auf der Suche nach Ruhe über Wurzeln stolpern und eifrig
Wegekarten studieren.
Ein paar Kilometer weiter – über moosige Waldpfade, durch
schattiges Gehölz und vorbei an kleinen Bächlein – dasselbe Schauspiel am
Caumasee: Badende, Kaffeetrinkende und Fotoknipsende. Alle geniessen sie
nochmal den vielleicht letzten Sommertag. Staunen über das knallige Türkis des
Wassers. Springen in den eiskalten See und lassen sich von den Sonnenstrahlen
wieder trocknen. Es ist Sommeridylle pur. Genau so, wie es die vielen Facebookpost
und Instagramfotos versprechen – nur noch viel besser.